Fall:
Ein Mann fährt mit seinem Pedelec von dem gegenüberliegenden Rad-/Gehweg in einem Zug auf einen Fußgängerweg (Zebrastreifen), um die Fahrbahn zu überqueren. Er hielt auch nicht auf der vorhandenen Mittelinsel an. Der beteiligte Autofahrer hat nicht angehalten, sondern den Radfahrer quasi anschließend angefahren. Der Radfahrer hat schwere Verletzungen erlitten.
Was ist ein Pedelec und wie ist die Rechtslage?
Pedelec
Ein Pedelec („Pedal Electric Cycle“) ist ein Fahrrad, welches mit einer elektrischen Trethilfe ausgestattet ist (§ 1 Abs. 3 StVG). Abzugrenzen ist es insoweit von E-Bikes, bei denen die Fortbewegung auch ohne Muskelkraft möglich ist. E-Bikes gelten daher als Kraftfahrzeuge und unterliegen der Versicherungspflicht.
Fahren auf dem Zebrastreifen
Bei dem Wechsel mit einem Fahrrad von einem Rad-/Gehweg auf den Zebrastreifen (Fußgängerüberweg) handelt es sich um ein Einfahren von einem anderen Straßenteil. Gemäß § 10 StVO muss sich der Radfahrer dabei so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Dabei handelt es sich um sehr hohe Anforderung, da das Gesetz einen Ausschluss der Gefährdung fordert. Der einfahrende Radfahrer muss sich nach der Rechtsprechung daher vergewissern, dass die Fahrbahn für ihn frei ist und eine Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Dies ist der höchste Sorgfaltsmaßstab, den die StVO kennt. Kommt es im unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Einfahren zu einer Kollision mit dem fließenden Verkehr, so spricht bereits der erste Anschein gegen den wartepflichtigen Einfahrenden.
Vorrang der Fußgänger
Nur Fußgänger und Rollstuhlfahrer genießen auf Zebrastreifen Vorrang. Dies gilt nicht für Fahrradfahrer; er unterfällt nicht dem Schutzbereich des § 26 StVO. Steigt der Radfahrer ab und schiebt das Fahrrad, ist er natürlich ein Fußgänger.
Unfall beim Überqueren
Kommt es – wie hier – zu einem Unfall während des Überquerens der Straße, sieht es für den Radfahrer schlecht aus. Er hat dann ja offensichtlich gegen seine Verpflichtung aus § 10 StVO verstoßen, da er die Gefährdung nicht ausgeschlossen hat.
Haftung?
In aller Regel wird ihn mindestens eine 2/3 Schuld am Unfall treffen. Für die Haftungsquote wird eine Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge vorgenommen (§§ 9 StVG, 254 BGB). Dem Radfahrer ist ein gravierender Verstoß gegen § 10 StVO, also die Verursachung des Unfalls unter Missachtung des Vorranges des Autofahrers anzulasten. Die Quote kann sogar noch höher sein, wenn der Radfahrer ein schuldhaftes Verhalten des Autofahrers nicht beweisen kann. Aufgrund des oben genannten Anscheinsbeweises trifft ihn die Beweislast. Es ist daher wichtig, in einem solchen Fall schnell eine/n kompetente/n Rechtsanwältin/Rechtsanwalt einzuschalten, um sachgerecht vorzugehen und eine optimale Vorgehensweise sicherzustellen.
Ein solches könnte beispielsweise darin liegen, dass der Autofahrer gegen das allgemeine Gebot der Rücksichtnahme gemäß § 1 StVO verstoßen hat. Wenn er sicher weiß, dass der Radfahrer rücksichtslos rüberfährt, darf er ihn nicht einfach überfahren, sondern muss noch versuchen anzuhalten.
§ 1 Grundregeln
(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.
Ob den Radfahrer darüber hinaus in diesen Fällen bei Kopfverletzungen ohne Helm noch ein weiteres Mitverschulden anlasten ist, ist eine andere Frage.
Fazit: Schieben!
Für Radfahrer ist das Überfahren eines Zebrastreifens sehr haftungsträchtig. Da nicht alle Radfahrer haftpflichtversichert sind, haften sie persönlich mit ihrem ganzen Vermögen für die durch den Unfall verursachten Schäden, die schnell in die Tausende gehen können. Radfahrer und Pedelec-Fahrer sollten daher vor dem Zebrastreifen anhalten, absteigen und das Rad über den Zebrastreifen schieben.
Rechtsanwältin Lüdtke
Fachanwältin für Strafrecht
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