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Wann droht nach einer Unfallflucht ein Regressanspruch der Haftpflichtversicherung ?

Beispielsfall:

Wochenende! Die übliche Hektik. Herr T. muss noch eben schnell für´s Wochenende einkaufen. Er fährt auf einen Parkplatz des nahe gelegenen Supermarktes. Hierbei stößt er ganz leicht an den neben ihm stehenden Wagen. Ein lediglich oberflächlicher Blick, mehr Zeit hat er leider nicht, zeigt ihm, dass hier, jedenfalls nach seiner Meinung, kein Schaden entstanden ist. Er kauft schnell ein und fährt dann nach Hause. Plötzlich steht die Polizei vor der Tür und macht ihm den Vorwurf der Unfallflucht.

Ein ganz alltäglicher Fall der Unfallflucht, der häufig zu beobachten ist. Am Fahrzeug des Geschädigten ist allerdings ein Schaden entstanden. Dieser Schaden soll sich in unserem Beispielsfall auf 1.000,00 Euro belaufen. Gegen Herrn T., den Unfallflüchtigen, wird wegen Unfallflucht ermittelt. Im Ergebnis kann der von ihm beauftragte Anwalt eine Einstellung des Verfahrens erreichen. Herr T. ist froh. Er denkt die Angelegenheit habe sich damit erledigt. Dem ist leider nicht so. Er erhält ein Schreiben seiner Versicherung, in dem diese ihn zur Zahlung von 1.000,00 Euro auffordert.

Herr T. ist entsetzt und wütend. Er betrachtet das als Doppelbestrafung! Hat er doch schon im Strafverfahren Geld bezahlen müssen. Und nun soll er auch noch an seine Haftpflicht Geld zahlen. Wofür hat er die denn dann überhaupt?

Termin beim Anwalt:

Ein weiterer Termin bei seinem Anwalt zeigt ihm auf, dass es neben den strafrechtlichen Sanktionen auch noch die versicherungsrechtlichen Regressansprüche gibt. Verlässt nämlich jemand unerlaubt den Unfallort und entstehen dabei Schäden, so ist der Versicherer berechtigt seinen Versicherungsnehmer in Regress zu nehmen. Dieser Regress kann sich auf bis zu 2.500,00 Euro belaufen. Herr T. hat nämlich eine sogenannte Obliegenheitsverletzung begangen, indem er absichtlich (arglistig) seiner Aufklärungspflicht nicht nachgekommen ist. Damit gefährdet er das Interesse an sofortiger und umfassender Sachverhalts- und Schadensaufklärung.

Der Versicherungsnehmer kann sich nur damit entlasten, wenn er beweisen kann, dass die durch ihn verschuldete verspätete Feststellung des Schadens und seiner Personalien hier dem Aufklärungsinteresse seiner Versicherung nicht geschadet hat (Kausalitätsgegenbeweis ). Hier werden häufig Probleme für den Versicherungsnehmer auftreten.

Erstes Fazit:

Die vorsätzliche Verletzung der Aufklärungsobligenheit durch unerlaubtes Entfernen vom Unfallort führt grundsätzlich zur Leistungsfreiheit des Haftpflichtversicherers und erlaubt ihm damit den Regress (§ 28 Abs. 2 Satz 1 VVG). Kann der Versicherungsnehmer den Kausalitätsgegenbeweis führen (§ 28 Abs. 3 Satz 1 VVG), dann entfällt der Regress. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 21.11.2012 klargestellt, dass der Kausalitätsgegenbeweis nicht zu generalisieren ist, andererseits jedoch das unerlaubte Entfernen vom Unfallort nicht stets arglistig ist. Es kommt immer auf eine individualisierende und den Zeitpunkt der Obliegenheitspflichtverletzung bezogene Feststellung an. Dies wäre im obigen Beispiel möglicherweise dann gegeben, wenn Herr T. nach dem Verlassen des Unfallortes zum Unfallort zurückgefahren wäre oder, kurze Zeit später, selbstständig die Polizei gerufen hätte. Allerdings wird dies immer abhängig von der Schadenhöhe und den weiteren Gegebenheiten vor Ort sein. Hier jedenfalls hat er mit einem Regress in Höhe des gesamten Schadens bis zu einer Gesamthöhe von 2.500,00 Euro zu rechnen.

Eine Unfallflucht ist im Hinblick auf die Folgen nicht zu unterschätzen. Es ist jedem Betroffenen zu raten, sich schnellstmöglich anwaltlichen Rat zu holen, um hier größeren Schaden zu verhindern.

Doppelter Regress nach Alkoholfahrt

Unter welchen Voraussetzungen kann die Versicherung nach einer Alkoholfahrt Regress beim Fahrer nehmen?

Herr T., der unglückselige Kraftfahrer, den einige Leser vielleicht aus der letzten Ausgabe schon kennen, fährt im alkoholisierten Zustand beim Versuch des Ausparkens aus einer Parkbucht gegen ein gegenüber geparktes Fahrzeug. Es handelt sich um ein neuwertiges hochpreisiges Fahrzeug. Den Schaden meldet er nicht, sondern zeigt ihn erst nach mehreren Aufforderungen seiner Versicherung, etwa zwei Monate später, an. Die Versicherung verlangt nunmehr Regress wegen der gezahlten Aufwendungen zugunsten der Geschädigten i.H.v. 7.500,00 Euro. Der Schaden am PKW des Geschädigten liegt bei 7.900,00 Euro.

Selbstverständlich wird ein Ermittlungsverfahren wegen einer Trunkenheit im Verkehr in Verbindung mit einer Unfallflucht eingeleitet werden. Herr T. hat auch einen Entzug der Fahrerlaubnis mit nachfolgender Verhängung einer Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis zu befürchten. Je nach dem festgestellten Alkoholisierungsgrad besteht auch die Möglichkeit, dass die Fahrerlaubnisbehörde ein Fahreignungsgutachten anordnet, bevor diese die Fahrerlaubnis wiedererteilt.

Neben den strafrechtlichen und verwaltungsrechtlichenAuswirkungen sind allerdings auch erhebliche zivilrechtliche Auswirkungen zu beachten:

Tatsächlich hat nämlich die Haftpflichtversicherung, die eigentlich Fremdschäden bei Verschulden bzw. Verursachung ihres Versicherungsnehmers in voller Höhe ausgleicht, einen Regressanspruch gegen den Kraftfahrer und Versicherten Herrn T.

Dieser war zum Unfallzeitpunkt erheblich alkoholisiert.

Da ihm neben der Unfallflucht auch eine Trunkenheitsfahrt vorgeworfen werden kann, steht neben der Obliegenheitsverletzung nach dem Unfall (Verlassen des Unfallortes ohne Angabe zur Beteiligung und Person) auch eine Obliegenheitsverletzung vor dem Unfall (Fahren im alkoholisierten Zustand) in Rede.

In diesem Fall ist der Haftpflichtversicherer berechtigt den Regress aus beiden Obliegenheitsverletzungen gegenüber Herrn T. geltend zu machen. Das heißt, der Versicherer kann die Regressbeträge addieren. Für die Alkoholfahrt wird Herr T. mit einem Betrag in Höhe von 5.000,00 Euro zur Kasse gebeten, für die Unfallflucht mit einem Betrag von 2.500,00 Euro.

Zweites Fazit:

Dieser durchaus alltägliche Fall zeigt, dass gut überlegt sein will, wie man sich nach einer Fahrerflucht mit zusätzlicher Alkoholisierung verhält. In vielen Fällen dürfte die Gefahr des Regresses hinter den Folgen, die eine Verurteilung wegen Unfallflucht mit sich bringt, zurückbleiben. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass neben der Geldstrafe die Entziehung der Fahrerlaubnis droht und – soweit auch noch Alkohol wie hier im Spiel war – vor der Neuerteilung das Fahreignungsgutachten ansteht. Hat der Versicherer Kenntnis vom Tatgeschehen oder kommt es gar zu einer Verurteilung, wird dieser den Regress versuchen durchzusetzen. Das Spannungsverhältnis, in dem Herr T. sich befindet, ist nicht einfach aufzulösen. Zum einen hat er als Beschuldigter ein Aussageverweigerungsrecht und darf zu den Tatvorwürfen schweigen, zum anderen besteht eine Verpflichtung (Obliegenheit) den Versicherer über das Geschehen aufzuklären. Hinzu kommt, dass die ermittelnde Staatsanwaltschaft die Versicherung zu den Angaben des Herrn T. befragen kann, also über den Umweg seiner Versicherung die von Herrn T. nicht preisgegebenen Informationen erhalten kann.

Es sollte in jedem Fall anwaltlicher Rat eingeholt werden, um je nach Einzelfall eine, für das sehr vielschichtige Problem, gerechte Lösung zu finden.

Rechtsanwältin Lüdtke

Fachanwältin für Strafrecht
Fachanwältin für Verkehrsrecht
Mediatorin (DAA)

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